Das Jahr 2025 steht im Zeichen der Wirtschaftspolitik in den USA, China und Europa. Vieles ist noch offen. Klar ist: der Einsatz steigt und damit auch die Spannungen. Die Weltwirtschaft kommt in unruhigeres Fahrwasser. Wachstum und Inflation dürften in den USA höher ausfallen als im Rest der Welt. Denn das Wachstumspotenzial ist höher, die Investitionen laufen besser, und die neue Administration geht wirtschaftspolitisch „all in“ und spielt auf Sieg. Auch China erhöht seinen Einsatz zur Belebung der heimischen Wirtschaft, diesmal aber zu Lasten der Handelspartner. Auch deshalb kommt Europa in eine noch schwierigere Lage und muss mehr investieren, um nicht den Anschluss zu verlieren. Vor allem in Deutschland müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zudem die ausgeprägte Vollkaskomentalität zurückdrängen und mehr Schumpeter wagen. Unterstützend wirkt sich die Lockerung der Geldpolitik auf die Wirtschaft in den großen Regionen aus. In Europa dürften die Zinssenkungen länger laufen als in den USA. Investoren sollten sich aber weder durch die aufgeregten politischen Debatten noch durch Zinsspekulationen den Blick auf das Wesentliche verstellen lassen: das Comeback des US-Investitionszyklus und die großen Wachstumstrends in der digitalen Welt, in der Gesundheit und im Konsum. Hier zeichnen sich im kommenden Jahr spannende Entwicklungen ab, die auch vom zunehmenden Einsatz von KI entlang der Wertschöpfungskette geprägt sind.
Nach dem Soft Landing und dem Rückgang der Teuerung in den vergangenen Jahren tendiert die US-Wirtschaft 2025 wieder zurück in eine Phase des inflationären Wachstums. Dafür spricht zum einen das seit einigen Jahren steigende Wachstumspotenzial der US-Volkswirtschaft. Neben dem deutlichen Plus an verfügbaren Arbeitskräften durch die hohe Migration wirkt hier vor allem der Anstieg der Produktivität aufgrund der Dominanz und dem zunehmenden Einsatz neuer Technologien stützend. Zum anderen hat der Investitionszyklus bereits an Fahrt aufgenommen und an Breite gewonnen und wird die Konjunktur im kommenden Jahr anschieben. Das ist ein großer Vorteil der US-Wirtschaft, zumal die Wirtschaftspolitik sehr expansiv ausgerichtet bleibt. Unter dem Strich dürfte die Wirtschaftsleistung erneut um etwa 3% zulegen und die Inflationsrate nicht nachhaltig auf oder unter 2% fallen. Vielmehr ist ab Jahresmitte wieder ein stärkerer Aufwärtsdruck zu erwarten, der wesentlich von der Umsetzung der wirtschaftspolitischen Agenda abhängt.
Auch in China ist 2025 mit einem etwas höheren Wachstum zu rechnen, wenngleich die Korrektur am Immobilienmarkt die Wirtschaft noch einige Zeit belasten wird. Die Wirtschaftspolitik dürfte aber deutlich expansiver ausgerichtet werden, auch um sich gegen den schärferen geo- und wirtschaftspolitischen Kurs der USA zu stellen. Dabei liegt der Fokus – anders als in den vergangenen Jahren – weniger auf der Investitionsseite als auf einer Stützung der Konsumnachfrage und vor allem einer aggressiven Expansion im Außenhandel. Im Rahmen eines Zwischenhochs dürfte das Wachstum mit rund 5% etwas stärker als der mittelfristige Trend ausfallen.
In Europa und vor allem in Deutschland setzt sich die säkulare Stagnation der vergangenen Jahre dagegen wohl 2025 fort. Das reale Wachstum bleibt sehr niedrig. So liegt das Potenzialwachstum im Euro-Raum nur im Bereich von etwa 1%. Gleichzeitig bleibt die Wirtschaftspolitik zu passiv. Und der Außenhandel profitiert deutlich weniger als bisher von einer Belebung der Wirtschaft in China, den USA und dem Rest der Welt. Vor allem aber ist keine Belebung des Investitionszyklus zu erwarten. Das hat auch strukturelle Gründe. Denn der Anteil der Hochtechnologie ist in Europa geringer. Die Unternehmen investieren nur etwa zu 15% in Software und digitale Innovationen, während dieser Anteil in den USA bei fast 50% liegt.
Die Hoffnungen in Europa liegen 2025 vielmehr auf dem Konsum. Hier bietet der Rückgang der Teuerung und die nach wie vor deutlich erhöhte Sparquote Potenzial für einen Konsumschub. Dennoch dürfte das Wachstum 2025 kaum über 1% hinausgehen. Der externe Druck auf das europäische Wirtschaftsmodell bleibt hoch. Damit steigt das Risiko für Spannungen innerhalb der Währungsunion, was die Wachstumsaussichten zusätzlich belastet. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Inflationsrate im Bereich des EZB-Ziels von 2% seitwärts bewegen.
Angesichts des divergierenden Konjunktur- und Inflationsausblicks sowie der unterschiedlichen Fiskalpläne werden auch die Notenbanken in den USA und Europa im kommenden Jahr unterschiedliche Pfade einschlagen. Die robuste Konjunktur und die Unsicherheit über mögliche inflationäre Effekte der Handels- und Migrationspolitik in den USA sprechen für nur mehr moderate Zinssenkungen der Fed in den kommenden Monaten. Zur Jahresmitte 2025 wird der US-Leitzins das neue Normal bei 3,5-4% erreicht haben und wohl erst einmal unverändert gehalten werden. Angesichts der schwachen Wirtschaft dürfte die EZB ihren Leitzins dagegen länger und weiter senken in Richtung ihrer Landezone bei etwa 2%.
Alles in allem fällt unser Blick auf die Wirtschaft im kommenden Jahr also erneut konstruktiv aus. Die Risiken sind zwar gestiegen, vor allem durch den hohen Einsatz der US-Regierung zur Belebung der heimischen Konjunktur. Der Himmel wird dem umsichtigen Anleger aber auch 2025 nicht auf den Kopf fallen. Dieser sollte sich durch die aufgeregten politischen Debatten nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen lassen: das Comeback des US-Investitionszyklus, den Produktivitätsimpulsen durch den zunehmenden Einsatz neuer Technologien entlang den Wertschöpfungsketten und den großen Wachstumstrends in der digitalen Welt, in der Gesundheit und im Konsum. Und bei der Abwägung von Chancen und Risiken gilt wie jedes Jahr: Die wirklichen Überraschungen werden diejenigen sein, die heute noch nicht auf dem Schirm sind.
Hinsichtlich der Risiken für den Ausblick liegt der Fokus vieler Investoren besonders auf der US-Wirtschaftspolitik. Vor allem eine Zuspitzung der Handels- und Investitionsrestriktionen zwischen den USA, Europa und China könnte die Weltwirtschaft insgesamt tatsächlich erheblich belasten. Gerade in der ersten Jahreshälfte dürften aber vor allem für die USA auch in einem solchen Szenario die positiven Effekte der neuen Weichenstellungen dominieren. Eine Senkung der Unternehmenssteuern von 21% auf 15% und der angekündigte Abbau von Regulierung werden das Gewinnwachstum der US-Unternehmen kurzfristig beschleunigen. Dazu kommen neue Investitionen ausländischer Unternehmen in den USA, um die angekündigten Zölle zu umgehen. Dadurch sollte der Investitionszyklus zusätzlichen Schub erhalten. Die negativen Effekte der restriktiveren Handels- und Migrationspolitik werden die Wirtschaft dagegen wohl mit Verzögerung treffen. Die angekündigte Anhebung der Einfuhrzölle um durchschnittlich etwa 10 Prozentpunkte und eine Abschiebung von Arbeitskräften aus dem Niedriglohnsektor bergen dabei ein unmittelbares Inflationspotenzial von bis zu 2 Prozentpunkten, was den realen Konsum mit zeitlicher Verzögerung in ähnlicher Größenordnung dämpfen würde. Gleichzeitig dürfte der positive Effekt auf die Leistungsbilanz gering sein.
Was davon wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Für Europa und Deutschland überwiegen wohl die negativen Effekte der neuen wirtschaftspolitischen Agenda der USA. Eine restriktivere Handelspolitik und entsprechende Gegenmaßnahmen der EU in Verbindung mit dem aggressiveren Handelsgebaren Chinas könnten den europäischen Außenhandel bereits kurzfristig empfindlich treffen.
Gleichzeitig wird vor allem die US-Regierung aggressiv für Investitionen europäischer Anbieter in den USA kämpfen. Bei aller Unsicherheit und Aufgeregtheit in der Debatte gilt es zu beachten: Vieles ist in den aktuellen Kursen schon eingepreist. Zudem werden die Effekte der Wirtschaftspolitik auf die Konjunktur und den Kapitalmarkt häufig überschätzt. Denn beide sind sehr anpassungsfähig. Das dürfte auch für 2025 gelten. Es bedarf erheblicher Anstrengungen oder Fehler, um die zugrunde liegende Dynamik nachhaltig zu verändern – zum Positiven wie zum Negativen. Das gilt mit zwei Ausnahmen: Dem möglichen Versuch der US-Regierung die Unabhängigkeit der Fed in Frage zu stellen. Denn dadurch könnten die Inflations- und Laufzeitprämien auch kurzfristig deutlich steigen und so zu einem Showstopper auch für die Aktienmärkte werden. Gleiches gilt, falls die US-Regierung ihren expansiven Kurs überziehen sollte und insbesondere die Steuersenkungen nicht über Einsparungen zumindest teilweise finanzieren würde. Zweifel an der Tragfähigkeit der US-Verschuldung wären dann nicht nur für die US-Märkte ein Problem.