Auf ihrer Aprilsitzung hat die EZB ihre Erwartung einer ersten Zinssenkung im Juni bekräftigt. Die Notenbank sieht das Risiko eines Wiederanstiegs der Inflation in Europa als begrenzt an. Die jüngsten Datenüberraschungen zu Konjunktur und Preisentwicklung haben daran nichts geändert. Die EZB bleibt auf Kurs, die Zinsen erstmals eher zu senken als die FED, meint Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz.
Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB ihre Leitzinsen wie erwartet unverändert gehalten. Das Statement und die Äußerungen von EZB-Präsidentin Lagarde sind dabei taubenhafter ausgefallen, als nach den jüngsten starken Daten zu Konjunktur und Inflation insbesondere in den USA zu erwarten war. Die EZB sieht die konjunkturellen Abwärtsrisiken nach wie vor als erheblich an und sieht ein deutlich geringeres Risiko eines Wiederanstiegs der Inflation als in den USA. Der Disinflationstrend sei voll in Takt. Die EZB setzt darauf, dass der Lohndruck weiter abnimmt, und sieht sich laut Lagarde in aktuellen Daten in dieser Annahme bestätigt. Der heute sehr explizite Verweis auf die große Bedeutung der nächsten Wachstums- und Preisprojektionen des EZB-Stabs signalisiert, dass eine große Mehrheit der Ratsmitglieder von einer ersten Zinssenkung im Juni ausgeht. Tatsächlich hat sich laut Lagarde bereits heute eine kleine Anzahl von Ratsmitgliedern für eine Zinssenkung ausgesprochen.
Aussichten für Anleger
Die EZB hat ihre Erwartung einer ersten Zinssenkung im Juni klar bestätigt und die jüngsten starken Daten zu Konjunktur und Inflation als Volatilität relativiert. Mit Blick auf die Folgen einer möglichen Divergenz der Zinspfade von FED und EZB hat sich Lagarde relativ entspannt gezeigt. Die entsprechenden Folgen etwa für die Wechselkurse würden in den Juni-Projektionen berücksichtigt, seien in ihren Auswirkungen auf die Inflation aber begrenzt. Sollte sich bis zur Junisitzung kein deutlicher Wiederanstieg von Inflation und Lohndynamik abzeichnen, dürfte die EZB den Leitzins – anders als die FED – um 25 Basispunkte senken. Inwieweit dies dann der Beginn einer Reihe von raschen Zinsschritten ist oder eine nur langsame Reduktion einläuten wird - hierzu wollte Lagarde heute kein Signal geben. Der strukturell etwas höhere Preisauftrieb begrenzt das Abwärtspotenzial für die Leitzinsen, aber auch in Europa. Allerdings: Die einzige Gewissheit mit Blick auf die Geldpolitik im zweiten Halbjahr bleibt die Datenabhängigkeit. Dies hat Lagarde heute noch einmal betont.