Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, so sagt es ein altes Sprichwort. Demnach gibt es keine Parallelen mit, sondern nur Lehren aus der Geschichte. Das macht es für uns Heutige aber nicht einfacher, denn so einfach es ist, eine Parallele zu bestimmen, so schwierig ist es, die richtigen Lehren zu ziehen.
Derzeit werden die Märkte von einer nagenden Inflationsangst durchgeschüttelt. Da es keine kohärente und umfassende Theorie der Preissteigerungen gibt, ist der Blick in die Vergangenheit an dieser Stelle besonders verlockend. Und in der Tat hält insbesondere der Blick auf die Geschichte der Großen Inflation von 1923, die sich den Deutschen tief in das finanzielle Gedächtnis eingegraben hat, aufschlussreiches Anschauungsmaterial bereit. In dieser Hinsicht ist es hoffentlich erhellend, was in meinem neuen Buch über die Hyperinflation in Deutschland zwischen den Kriegen steht, das in diesen unsicheren Tagen im Berenberg-Verlag erschienen ist. (Hier findet sich eine Besprechung des Buchs im Deutschlandfunk)
(Die eigentliche Gefahr besteht nicht in der Volatilität der Wertentwicklung, sondern im permanenten Verlust von Kapital. Geld geht endgültig verloren, etwa weil ein Unternehmen pleitegeht oder eine Immobilie in der falschen Lage ist oder ein Staat beschließt, seine Schulden wegzuinflationieren. Dagegen hilft nur eine breite Streuung des Vermögens. Eine Streuung sollte dabei nicht nur innerhalb der einzelnen Assetklassen stattfinden, sondern auch darüber hinaus. Aktien können sich jahrzehntelang seitwärts oder abwärts entwickeln (der japanische Nikkei 225 handelt heute etwa 31% unterhalb seines Allzeithochs aus dem Dezember 1989). Mit Anleihen, Rohstoffen und Immobilien verhält es sich nicht anders.)
In der aktuellen Situation wird die Unsicherheit noch für eine Weile anhalten. Es ist unklar, ob es der Federal Reserve gelingt, die Inflationsraten einzufangen, ohne eine Rezession zu verursachen. Es ist unklar, wo der Powell-Put liegt, d.h. das Niveau bei den amerikanischen financial conditions, das die Zentralbank nervös werden und zu verbalen oder realen Unterstützungsmaßnahmen greifen lässt. Es ist unklar, ob Russland in der Ukraine einmarschiert und welches die Konsequenzen für die globalen Finanz- und Energiemärkte wären (und die globale Sicherheitsarchitektur, etwa für den Risikoappetit Chinas bezüglich Taiwans). Das alles kann zu höheren Zinsen und niedrigeren Aktienmarktbewertungen führen. Was davon bereits in den Kursen enthalten ist, lässt sich kaum sagen. Aber wir sind, wie gesagt, in guter Gesellschaft: Auch die Zentralbankiers haben erhebliche Zweifel bezüglich der weiteren Entwicklung der Inflation, der Konjunktur und der Zinsen. So gilt es wie so oft, das Portfolio wetterfest zu machen, breit zu diversifizieren und darauf zu vertrauen, dass die gute Gewinnentwicklung solider und innovativer Unternehmen langfristig für steigende Kurse sorgen wird.
Wenig Zweifel habe ich aber daran, dass in fünf Jahren der Rückblick auf den Tumult zur Jahreswende 21/22 nicht emotionaler ausfallen wird als der Rückblick heute auf die Jahreswende 18/19, an die sich kaum noch jemand erinnert. Die Eine wie die Andere wird wie ein weiterer wenig bedeutungsvoller Zacken in einer langen und zackenreichen Entwicklung aussehen, die aus der Distanz betrachtet doch stetig nach oben weist, während die Orientierung an den Gewinnaussichten von Unternehmen und den mächtigen strukturellen Trends eine erfolgreiche Strategie war.