07.04.2025

Börsenblatt | Vom „Liberation Day“ zum Schwarzen Montag?

Was in der letzten Woche vom Weißen Haus am „Tag der Befreiung“ verkündet wurde, lag weit jenseits der schlimmsten Erwartungen. Es gab eine Reihe von Szenarioanalysen – mit Best Case, Base Case und Worst Case. Mir ist jedoch keine Vorhersage bekannt, die eine derart merkwürdige Anwendung von Zollinstrumenten auf dem Radar hatte. Es geht offensichtlich nicht um Handel, sondern um die Verhinderung von Handel – und um eine Machtdemonstration.

Nun verdaut die Welt das Geschehen. Es stellt sich die Frage, wer durch diese Aktion von was befreit werden sollte, und wo Verhandlungsansätze existieren. Bislang ist dabei aber nichts Sinnvolles herausgekommen. Es scheint keine guten Lösungen zu geben.

Schon vor dem „Liberation Day“ hatte sich die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern in den USA eingetrübt. Nun steht die US-Wirtschaft möglicherweise vor einer Rezession. Dabei sind der Zentralbank bis auf Weiteres die Hände gebunden, denn auch die Inflationsrate dürfte steigen – unmittelbare Zinssenkungen sind damit schwer zu rechtfertigen. Und: Zinssenkungen helfen in einer politisch induzierten Wirtschaftskrise ohnehin deutlich weniger als in einer normalen konjunkturellen Schwächephase. Mit dem Wochenstart haben die globalen Aktien die technische Marke für einen Bärenmarkt überschritten. Während die amerikanischen Märkte sich bereits seit Februar im Rückwärtsgang befinden, sind nun auch die europäischen und asiatischen Märkte eingebrochen und handeln über 20% unter den erst kürzlich erreichten Allzeithochs. Steht uns nun ein größeres Drama bevor? Jeder Zyklus ist anders, jede Korrektur und jeder Bärenmarkt ebenfalls. In der Regel ist es eine Rezession, die eine Korrektur in einen ausgeprägten Bärenmarkt überführt. Wenn eine Wachstumsschwäche auf eine ohnehin verunsicherte Börse trifft, wird eine kurzfristige Trendwende unwahrscheinlich.

 

Was tun?

Zunächst einmal ist festzuhalten: Panik ist keine Investmentstrategie. Und die größten Fehler werden in solchen Zeiten gemacht, in denen die Emotion die Ratio dominiert. Jetzt geht es darum zu beurteilen, wie groß der Schaden sein wird – und welche Bereiche der Wirtschaft am stärksten bzw. am wenigsten betroffen sein werden. Denn auch in dieser Lage wird die Weltwirtschaft nicht zum Stillstand kommen. Und mittelfristig wird es auch Gewinner der veränderten Handelsordnung geben. Diese gilt es zu identifizieren, gerade in Phasen größerer Volatilität ergeben sich häufig attraktive Investitionsgelegenheiten. Bis sich das Bild klarer herauskristallisiert, sollte man Liquidität vorhalten und auf Unternehmen von hoher Qualität setzen – also solche mit niedriger Verschuldung und stabilen Gewinnen. Jedem Portfolio tun derzeit Aktien mit geringer Volatilität gut, die in den letzten Jahren des Börsenbooms wenig gefragt waren.

Ein Portfoliomanager mit ruhiger Hand kauft, wenn die Kurse niedrig stehen, und schneidet ab, wenn sie hochstehen. Zum Zukauf ist es derzeit aber noch zu früh – die Volatilität an den Märkten dürfte noch eine Weile anhalten. So etwas geht nicht in zwei Tagen vorbei. Darüber hinaus gilt: Amerikanische Assets haben insgesamt an Attraktivität verloren. Der Rest der Welt wird nach Wegen suchen, die Abhängigkeit der US-Wirtschaft zu reduzieren. Und die Trump-Administration sieht in einer Dollar-Abwertung sogar eine Voraussetzung für den Erfolg ihrer Strategie. US-Unternehmen werden es erstmal noch schwerer haben, ihre Waren in anderen Ländern abzusetzen, auch weil ihre Produktionskosten steigen werden. Zudem geht dem heimischen US-Konsumenten inflationsbedingt Kaufkraft verloren. Das spricht für eine stärkere Diversifikation des Portfolios in europäische und asiatische Werte.

 

Lösung in Sicht?

Ein Hoffnungsschimmer in dieser Situation ist die Tatsache, dass es sich um eine politisch verursachte Krise handelt. Das bedeutet, sie kann auch durch politische Entscheidungen wieder behoben werden. Die Lösung ist also deutlich einfacher, als wenn es sich um eine rein ökonomische Krise und vor allem eine Bilanzrezession handelt – wie etwa eine Überschuldung der Konsumenten, der Unternehmen oder der Banken, deren Bewältigung sehr viel länger dauert und schmerzhafter ist.

Mehrere Faktoren könnten dem Markt kurzfristig helfen: eine Korrektur der Zollpolitik, eine aggressive Senkung der Unternehmenssteuern oder eine unerwartete Intervention der US-Zentralbank. Sowohl ein rasches Zurückrudern bei den Zöllen als auch schnelle Zinssenkungen durch die FED müssen aktuell jedoch als wenig wahrscheinlich beurteilt werden. Die politische Klasse in Washington scheint in ihrer eigenen Welt zu leben – und der Zentralbank sind noch die Hände gebunden. Zwar ist jeder Zyklus anders. Doch wenn man historische Parallelen sucht, erinnert die Lage am ehesten an das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Auch damals machten Aktien einen großen Teil des amerikanischen Wohlstands aus – ähnlich wie heute. Der Anteil von Aktien und Investmentfonds lag 2000 bei 30%, im Jahr 2019 bei 15,5% und ist zuletzt wieder auf 25% geklettert. In den 80er-Jahren lag er mitunter im einstelligen Bereich. Aufgrund dieser hohen Abhängigkeit vom Aktienmarkt wurde damals aus enttäuschten Erwartungen in einem kleineren wirtschaftlichen Bereich eine große Krise. Der Wohlstandsverlust durch sinkende Aktienkurse verunsicherte die Menschen, zumal kurz danach die Anschläge vom 11. September folgten. Viele begannen, ihren Konsum einzuschränken – aus Angst um ihre Pensionen und Investitionen. Etwas Ähnliches kann auch heute wieder passieren. Es ist daher zu erwarten, dass der politische Druck von Seiten der Wähler - die sowohl Konsumenten und Arbeitnehmer als auch Anleger sind - und aus der eigenen Partei auf die aktuelle Regierung, schnell zunimmt. Dies bietet wohl die beste Chance Trump kurzfristig zu einem moderateren Vorgehen zu bewegen.

 

Die gute Nachricht: 100% aller Bärenmärkte wurden wieder aufgeholt

Zwei Dinge sollte man dabei nicht aus dem Blick verlieren: Erstens bieten solche Marktverwerfungen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Und zweitens hat der Aktienmarkt bislang jede Krise überstanden – 100% aller Bärenmärkte wurden wieder aufgeholt. Manchmal dauert es, aber Geduld wird an der Börse gut belohnt. Und auch wenn das Umfeld aktuell schwierig ist, bin ich doch optimistisch, dass wir mit unseren Fonds Ende 2026 höher stehen werden als Ende 2024. In der Vergangenheit ist es uns immer gelungen, Verluste zeitnah wieder aufzuholen. Gerade deshalb bleiben wir auch heute in den Wachstumstrends positioniert. Wenn auch etwas defensiver als in den Vorjahren. 

 

 

 

 

 


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Unsere Autoren

Dr. Georg von Wallwitz, CFA
Dr. Georg von Wallwitz, CFA

Geschäftsführender Gesellschafter | Lead Portfoliomanager

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